Helvetische Reiselust – aber bitte ohne Frust für Fauna und Flora!


Mit spitzer Feder …


(Bild: zVg)

Seit dem Ende des zweiten Weltkrieges sind die Schweizerinnen und Schweizer fast jedes Jahr länger in die Ferien gefahren. Und vor allem öfter ins Ausland: 2018 waren es bereits 24,9 Millionen solcher Reisen. 67 Prozent davon führten Herr und Frau Schweizer 2018 ins Ausland. Acht Jahre zuvor waren es erst 60 Prozent gewesen. Das ist dieses Jahr anders – Covid-19 hat einen dicken schwarzen Strich durch die Ferienpläne in ausländische Gefilde gemacht. Dies führt dazu, dass in den letzten Wochen die inländische Reisetätigkeit boomt. Gemäss Hotelier- und Tourismusverband sowie SBB und Regionalbahnen sind die inländischen Buchungen um bis zu 350 Prozent angestiegen. Die Zahlen belegen damit, die Schweizerinnen und Schweizer entdecken diesen Sommer ihr eigenes Land. Viele werden vom Coronavirus geradezu gezwungen, das Paradies vor der Haustüre etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Denn viele Feriendestinationen sind entweder nicht erreichbar oder es ist an einen entspannten Aufenthalt gar nicht zu denken. Denn wer will schon mit einer Maske vor Mund und Nase nach Luft japsend durch die katalanische Gluthitze stapfen? Geschweige die zwei Wochen Selbstisolation zu Hause – oder noch übler, in einem medizinisch schlecht ausgerüsteten Spital fernab der Heimat auszuharren! Ich, die ich selten andere Länder einen Besuch abstatte, kann es nicht nachvollziehen, weshalb man in der heissen Jahreszeit mit Hund und Kegel an einen noch heisseren Ort reist, um sich dort im besten Fall vor der Klimaanlage des Hotels zu flüchten oder im schlimmsten Fall, stoisch in der Sonne zu braten. Ich plädiere daher für die «Sommerfrische» im eigentlichen Sinne und verbringen die Sommerferien gerne in meiner Heimat.

Klickt man durch die sozialen Medien, werden die Ferien im eigenen Land euphorisch zelebriert: Bilder von glücklichen Wandersleuten vor allerhand Bergen und kühlen Bergseen, von entspannten Campern und relaxten Stadtflaneuren. Anscheinend haben nun auch noch die letzten Eidgenossen realisiert, wie vielfältig unser Land ist, und welche zauberhafte Naturperlen es beherbergt, und dass Ferien in der Schweiz nicht bloss ein Notnagel sind. Einige entdecken wohl in diesem Corona-Sommer zum ersten Mal so richtig, was ihr Land alles zu bieten hat. Doch auch diese Medaille hat eine Kehrseite: Es kommt in den helvetischen Touristenhotspots vom Alpstein bis nach Genf und vom Boden- bis zum Luganersee zum Dichtestress: Wo sich sonst Rehe und Füchse gute Nacht sagen, tummeln sich jetzt Horden von Wildcampern, die ein extravagantes Outdoor-Erlebnis in der freien Wildbahn erleben wollen. Dabei zünden sie Bäume an, lassen den Abfall und Fäkalien liegen und zelten verbotenerweise in Naturschutzgebieten. Der Ballermann am Stand von Mallorca wird dank Corona in die Schweizer Bergwellt und in unsere Nationalparke exportiert. Ausgerüstet mit einer Harasse Bier und Flipflops wird johlend unsere zauberhafte Bergwelt erobert. Und das Problem der Wildcamper hat sich in den vergangenen Wochen im Schweizer Alpenraum immer stärker akzentuiert. Gemäss der Naturschutzorganisation «Pro Natura» sind es «unhaltbare Zustände». Wegen unnötigen Sachbeschädigungen werden durch die Wildcamper oftmals auch wildlebende Tierarten empfindlich gestört. Zu Recht fordert Pro Natur ein härteres Regime gegen Wildcamper. Die unerlaubte Lagerfeuerromantik in Schutzzone wird zur Hypothek für unsere geschützte Flora und Fauna.

Einmal mehr kann ich nur verständnislos den Kopf schütteln und nicht begreifen, wie man ein Lagerfreue im Naturschutzgebiete machen und dabei sämtliche Verbot ignorieren kann. Wer keinen Respekt für die Natur hat, der hat auch keine Achtung für die Menschen und das Leben. Und er hat das Gesetz der Natur nicht begriffen, dass solches Fehlverhalten früher oder später immer auf einem selbst zurückkommen! Oder wie es der deutsch-französische Arzt und Philosoph Albert Schweitzer treffend ausdruckt: «Ist der Mensch von der Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben berührt, so schädigt und vernichtet er Leben nur aus Notwendigkeit, der er nicht entrinnen kann, niemals aus Gedankenlosigkeit». Deshalb für alle die beim Campen auf Abwege geraten: Naturtourismus sollte leise und rücksichtsvoll sein. «Hinterlasse nichts als Fussspuren, nimm nichts mit ausser Fotos», so die goldene Regel in sämtlichen Nationalparks der Welt.

Herzlichst,
Ihre Corinne Remund
Verlagsredaktorin

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